Operation am offenen Herzen

Manchmal weiß man nicht was passieren wird, wenn man in den Garten kommt.
Ob man nur mal kurz nach den Mädels schaut, oder ob einem eine Not-OP bevorsteht.

Und manchmal regelt die Natur leider doch nicht alles von selbst zum Guten.
Deshalb mussten wir heute so was wie eine Operation am offenen Herzen bei unserem dritten Volk durchführen, um es zu retten. Denn alleine, ohne Hilfe, wäre es innerhalb der nächsten Monate gestorben.
Und so wie das eben ist bei so einer OP, geht es einem dabei nicht unbedingt gut, weil man weiß, was für ein drastische Maßnahme das ist. Aber man hat keine Wahl wenn man möchte, daß das Volk überlebt. Und man muß handeln, solange noch genug Arbeiterinnen im Volk sind – also schnell.

Die OP sah dann so aus:
Man leert die komplette Kiste voller Bienen, also zur Zeit ca. 25.000 Bienen!!! an einem entfernt gelegenen Platz auf den Boden, fegt mit dem Besen alle Waben ab so daß keine Bienen mehr in der Kiste sind und setzt die meisten der Waben dann entweder in eine neue Kiste ein oder in die leere alte Kiste – beides am alten Platz zusammen mit einer neuen Königin. Dann müssen alle Bienen die fit genug sind zum alten Platz zurück fliegen und dort wieder einziehen.
Die falsche Königin, das sogenannte Drohnenmütterchen, ist zu schwer zum Fliegen und kommt nicht zurück.
Die ganze Operation ist notwendig, weil das Drohnenmütterchen die neue Königin bekämpfen und möglicherweise töten würde, wenn man sie einfach so dazu setzt.
Für die Bienen ist das natürlich der Super-Gau: sie werden ihres Heims erst mal beraubt auf drastische Art und Weise, dann vermeintlich ihr Futter geraubt und sie müssen sich ganz schnell schauen, ob sie nicht doch wieder am alten Ort einziehen können.
Sie werden sozusagen zwangsweise zu Flüchtlingen, Vertriebenen da sie ja nicht wissen, daß am alten Platz eine gute Kiste mit ihren Waben und sogar einer neuen Königin auf sie wartet.
Sie fliegen sofort zurück und viele riechen auch gleich die Anwesenheit einer Königin, aber viele sind auch total verwirrt, sitzen herum und scheinen nicht zu wissen was zu tun ist oder wo sie hin sollen.
Es sind ja auch nicht alle Bienen im Stock “Flugbienen” die regelmäßig draußen sind und sich dort auskennen.

Warum war das alles überhaupt notwendig?
Unser drittes Volk, das in der lachsfarbenen Beute, hat vor einiger Zeit seine Königin verloren, aber eine neue nachgezogen die auch geschlüpft ist. Allerdings ist es jetzt schon reichlich spät im Jahr und nicht sicher gestellt, daß sie noch begattet wird.
Axel, der Kollege der sich hauptsächlich um dieses Volk kümmert, hatte einige Zeit gewartet aber dann hätten eigentlich irgendwann neue Eier zu finden sein sollen was ein klares Zeichen ist, daß die neue Königin ihre Arbeit aufgenommen hat.
War aber nicht zu finden. Also bestellte er eine begattete Königin zur Sicherheit und wir trafen uns heute zu dritt um noch mal genau zu schauen, ob nicht doch Eier da sind oder wir die Königin finden können.
Wir fanden Eier – aber leider in den falschen Zellen: das Volk war drohnenbrütig geworden!
Wenn zu lange keine Königin da ist und keine ganz frischen Eier mehr da sind um eine neue zu ziehen, dann entwickelt eine normaler Arbeiter-Biene die Fähigkeit selbst Eier zu legen. Allerdings sind die natürlich nicht befruchtet und daraus schlüpfen nur Drohnen. Irgendwann hat das Volk dann nur noch Drohnen wenn nach und nach alle Arbeiterinnen gestorben sind und dann stirbt das Volk, weil niemand mehr da ist, der die Drohnenbrut versorgt oder Futter holt.

Nun haben wir die Operation am offenen Herzen also überstanden. Nach einer Stunde saßen immer noch große Mengen Bienen außen am Stock wie eine Schwarmtraube, einige noch auf dem Platz wo wir sie ausgeleert hatten aus der alten Kiste und es wird wohl noch eine Weile dauern bis alle den Eingang zu ihren neuen alten Zuhause mit neuer Chefin gefunden haben.

Man – so was braucht man echt nicht zu oft! Die armen Mädels!!